Vorwort

125 Jahre Turnermusik, das ist ein recht seltenes Jubiläum, nicht nur im näheren Umkreis. Der Spielmanns- und Musikzug in der Sportgemeinschaft Egelsbach gehört nach dem Spielmanns- und Fanfarenzug des TSV Klein-Auheim, der nur zwei Jahre älter ist, damit zu den ältesten musikalischen Gemeinschaften des Hessischen Turnverbandes. Aus einer solchen langen Vereinsgeschichte gibt es sicher Vieles zu berichten, Angenehmes und weniger Angenehmes, Gutes und weniger Gutes, Höhen und Tiefen; von großem Beifall bei musikalischen Auftritten, aber auch von manch kritischen Auseinandersetzungen innerhalb der Gemeinschaft. Zu einer solch wechselvollen Geschichte einer Gemeinschaft gehören immer wieder Menschen, die mit viel Energie, Idealismus und Verantwortungsbewußtsein nicht nur in Glanzzeiten mit Freude ihre Freizeit der Musik widmeten, sondern auch aus schwierigsten Situationen die Gemeinschaft wieder nach oben führten.

Die Gründerjahre

Die Ursprünge der Spielmannsmusik wird man in Egelsbach genau wie in den meisten anderen Städten und Gemeinden Deutschlands ganz eng verknüpft finden mit der Entwicklung des Turnens nach der Idee von Turnvater Friedrich Ludwig Jahn. So ist es nicht verwunderlich, daß bei beiden Egelsbacher Traditionsvereinen, sowohl beim Turnverein von 1874 als auch bei der Turngemeinde von 1885, bald nach deren Gründung auch ein Spielmannszug ins Leben gerufen wurde. Direkte schriftliche Hinweise oder gar Gründungsprotokolle sind in beiden Fällen nicht aufzuspüren, so müssen uns andere Quellen auf der Suche nach de Gründungszeit helfen. Nach mündlicher Überlieferung sollen es vier bis acht Spielleute gewesen sein, die 1876 im gerade erst zwei Jahre alten Turnverein den ersten Spielmannszug in Egelsbach gründeten. Fast alle waren vom Militär entlassene Turner, die ihre aktive Zeit genutzt hatten, sich als Trommler Pfeifer oder Hornist ausbilden zulassen. Die älteste schriftliche Erwähnung eines Spielmannszuges ist ein im Jahre 1879 angefertigtes Protokoll, in dem der Zugang mehrerer junger Leute zu einem bestehenden Spielmannszug vermerkt ist. Interessanter Weise findet man in diesem Protokoll schon Egelsbacher Familiennamen, die auch heute noch einen engen Bezug zur Turnermusik haben, wie z.B. Avemaria, Schlapp oder Schroth. Auch bei der Turngemeinde können wir nur indirekt auf die frühe Gründung eines Spielmannszuges schließen. In einem Protokoll vom 5. Februar 1887, - also auch gerade zwei Jahre nach dem Entstehen des Vereins -, wird die Anschaffung eines Schrankes erwähnt, in dem die benötigten Instrumente aufbewahrt werden sollten. Aus heutiger Sicht bedarf es wohl einer Erklärung, daß in einem so kleinen Dorf, wie es Egelsbach zu Ausgang des 19. Jahrhunderts zweifellos war, zwei völlig voneinander unabhängige Turnvereine mit eigenen Spielmannszügen gegründet wurden und Bestand hatten. Dazu muß man wissen, daß das damalige öffentliche Leben und damit auch die Tätigkeiten in den Vereinen sehr stark weltanschaulich und politisch geprägt und polarisiert war. Nach der Gründung eines "Arbeiter"turnvereins ist es leicht einzusehen, daß einige Jahre später als Pendant die Turngemeinde sich aus dem bürgerlichen Lager etablierte. Diese Unterschiede in der Herkunft der Vereine hielt an bis zur Auflösung 1933 und war sogar noch bei der Gründung der Sportgemeinschaft nach dem 2. Weltkrieg zu verspüren. Beide Egelsbacher Turnervereinigungen hatten ein eigenständiges Vereinsleben, an dem die Spielmannszüge wesentlichen Anteil hatten. Beim Anturnen im Frühjahr und beim Abturnen im Herbst eines jeden Jahres legten die Turner den Weg zwischen Vereinslokal und Turnplatz unter Vorantritt der Musiker zurück. Das Spiel der Trommler und Pfeifer sorgte dafür, daß der Zug in den Ortsstraßen exakt im Gleichschritt marschierte. Das Betätigungsfeld erstreckte sich aber in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens natürlich auch auf Auftritte bei Aufmärschen und Festzügen auf örtlicher Ebene. Oft vergessen und kaum in den Chroniken erwähnt wird die frühe Verbindung der Turnermusiker mit der Blasmusik, das Blasorchester der heutigen Zeit hatte also durchaus schon einen historischen Vorgänger. 

Turnverein-Musikkapelle 1890Aus dem Jahr 1890 stammt die fotografische Aufnahme einer 14-köpfigen Blaskapelle. Auf diesem Foto ist der damals 20jährige Hornist Lorenz Avemarie zu sehen. Von ihm ist zu berichten, daß er 1906 zusammen mit anderen Musikern des Turnvereins den "Arbeitermusikverein" gründete, der nach der Vereinigung mit der "Zivilkapelle Egelsbach-Langen" 1927 schließlich als "Musikvereinigung Egelsbach" weiter bestand. Der erste Weltkrieg brachte im privaten sowie öffentlichen Leben so gravierende Einschnitte, daß jedes Vereinsleben und damit auch das Spielmannswesen zum Erliegen kam. Nach den Entbehrungen gingen aber schon 1919 unverzagte Männer daran, die Spielmannszüge neu zu formieren. Im Laufe der Zeit gelang es, die vom Krieg gerissenen Lücken zu schließen, die Turnermusik nahm einen neuen Aufschwung. An die Seite von Auftritte im örtlichen Bereich traten nun auch vermehrt die Mitwirkung bei Veranstaltungen in den Nachbargemeinden oder im überregionalen Bereich, so waren Egelsbacher Spielleute 1926 bei der Arbeiterolympiade im Frankfurter Waldstadion vertreten. 




Spielmannswesen kommt zum Erliegen

Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden sämtliche Vereine, die auf dem Boden der Arbeiterbewegung standen, verboten und aufgelöst, dieses Schicksal traf natürlich auch den Turnverein 1874 mit seinem Spielmannszug. Die Instrumente wurden eingezogen und in Langen deponiert. Einige Spielleute überwanden die noch bestehenden gesellschaftlichen Schranken und schlossen sich dem nicht vom Verbot betroffenen Spielmannszug der Turngemeinde an, um weiterhin ihrem geliebten Spiel nachgehen zu können. Die weitaus meisten Spieler des TV traten aber dem Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr bei. Diesem Umstand ist es auch zu verdanken, daß die eingezogenen Trommeln und Flöten von Langen zurückgegeben und dem Feuerwehr - Spielmannszug zugeteilt wurden. Der Ausbruch des 2. Weltkrieges brachte erneut eine Entwicklung mit sich, die man schon einmal durchlebt hatte. Mit dem totalen Zusammenbruch 1945 hörte auch der letzte Rest jeglicher Vereinstätigkeit auf. Zwar wurde schon im gleichen Jahr das völlige Vereinsverbot durch die Militärregierung etwas gelockert, so daß es schon im Herbst möglich war, einen Sportverein, die SGE, zu gründen, das Spielmannswesen war allerdings noch nicht im Katalog der erlaubten Vereinsaktivitäten enthalten. 




Der Neuanfang 1948

Mit weiteren Lockerungen der Verbotsbestimmungen rückte bald der Neuaufbau eines Spielmannszuges in den Bereich der Möglichkeiten. Es war ein Herzenswunsch des damaligen SGE - Vorsitzenden und vormaligen Stabführers im TV 1874, Fritz Schlapp, die durch den Krieg durchbrochene Tradition wieder aufleben zu lassen. Die Freude an der Musik war bei den meisten Spielmännern ungetrübt. 1933 war eine Gemeinschaft auseinander gerissen worden, die immer zu den Glanzpunkten des Vereins gehört hatte, so war es gar nicht verwunderlich, daß bei der ersten Zusammenkunft im Eigenheim im Herbst 1948 ein neuer Spielmannszug gegründet werden konnte. Die etwa 20 erschienen Männer waren alle ausgebildete Spielleute, so daß unverzüglich mit den Proben begonnen werden konnte. Zum Teil konnten die Instrumente aus dem Fundus des nicht mehr existierenden Feuerwehr-Spielmannszuges zurückgeholt werden, auch hatte so manche Flöte oder Trommel die Wirren der Zeit in Privatbesitz überstanden. Die Männer waren mit Eifer bei der Sache, so daß schon ein halbes Jahr später zum 1.Mai 1949 der neue alte Spielmannszug in der Öffentlichkeit auftreten konnte. Noch im gleichen Jahr wurde die Instrumentierung vervollständigt durch die große Trommel, Becken und Lyra. Das Geld für diese Anschaffungen stammte ausnahmslos aus den privaten Taschen der Spielleute, was wiederum in dieser entbehrungsreichen Nachkriegszeit für den Idealismus der Musiker spricht.Der Weg nach oben

Die fünfziger Jahre brachten dem Spielmannszug einen stetigen Aufschwung sowohl in personeller als auch in leistungsmäßiger Sicht.Der Spielmannszug der SG Egelsbach beim Kerbumzug 1950; mit Tabourstab: Fritz SchlappIm Jahr 1952 wurde ein entscheidender Schritt für die Förderung des Nachwuchses getan, ein eigenständiger Schülerspielmannszug bot die Möglichkeit, schon im Kindesalter erste Erfahrungen mit der Musik zu sammeln. So mancher heute noch aktive Musiker wird sich gerne an diese Zeit erinnern. An dieser Stelle soll einmal dargestellt werden, mit welchen Schwierigkeiten die Spielleute damals zu kämpfen hatten. Kaum ein Spieler verfügte über auch nur geringste Notenkenntnisse, ein Umstand, der bei der heutigen Besetzung des Blasorchesters unvorstellbar wäre. Die Märsche wurden von den Musikern in mühsamer Kleinarbeit auswendig gelernt, was bedeutete, daß man nach Gehör einem anderen Kameraden nachspielte oder sich die Griffe an der Flöte abschaute. Eine Erweiterung des Repertoires um höchstens zwei oder drei Stücke pro Jahr war unter diesen Umständen ein hohes Übungsziel und kaum zu schaffen. Andere Schwierigkeiten bereiteten die Räume für den Übungsbetrieb. Selbst im dicksten Winter mußte man mit dem ungeheizten Saalbau des Eigenheims vorlieb nehmen und mehr als einmal war ein Spiel vor Allem mit den Flöten bei bitterer Kälte nicht möglich. Allen Widrigkeiten zum Trotz hatte der Spielmannszug enormen Zulauf, zeitweise wurden 60 Aktive gezählt. Fanfaren bereicherten ab 1953 den Klangkörper beträchtlich. Zur Finanzierung dieser neuen Instrumente hatte man sich etwas Besonderes einfallen lassen: mit klingendem Spiel führte man in den Ortsstraßen eine Streichholz - Verkaufsaktion durch, die Egelsbacher Bevölkerung honorierte diesen Einsatz. Mit Recht kann diese Ära als Glanzzeit der Egelsbacher Spielmannsmusik angesehen werden, die herausragende Stellung in musikalischer und in personeller Sicht in der Umgebung war unumstritten. Die Auftritte innerhalb und außerhalb der Ortsgrenzen nahmen dermaßen zu, daß es einigen Spielleuten schon fast zuviel des Guten wurde. 




Niedergang und Wiederbelebung

Wie so oft folgen auf goldene Zeiten Jahre der Dürre. Gegen Ende der fünfziger Jahre verringerte sich der Personalbestandes des Zuges dramatisch und erreichte 1961 den absoluten Tiefpunkt mit gerade noch 11 Aktiven. Sogar in dieser äußerst schwachen Besetzung bot der Minispielmannszug exzellente Leistungen, wie der Bericht von einem Freundschaftstreffen in Pfungstadt belegt, wo das Spiel der Egelsbacher mit viel Applaus bedacht wurde. Tiefpunkte und Talsohlen haben oft aber auch ihre guten Seiten. Wie schon weiter oben erwähnt, bahnte sich in dieser Zeit ein Umbruch an, der die totale Abkehr vom traditionellen Spiel der Trommeln, Fanfaren und Flöten bedeutete, wenn auch oft gegen erbitterten Widerstand der eingeschworenen Anhänger der herkömmlichen Spielmannsmusik. In Egelsbach wurden schon 1960/61 Trompeten angeschafft, die zur Unterstützung der Fanfaren dienen sollten, - der Grundstock zum Musikzug war gelegt. In der Folgezeit wurde der Klangkörper durch Flügelhörner, Tenorhörner und einen Baß angereichert. Den "Ton" gaben weiterhin Trommeln, Flöten und Fanfaren an, aber die Attraktivität des Zuges stieg nicht nur in musikalischer Sicht. Intensivierte Jugendarbeit und die Rückkehr einiger "Ehemaliger" taten ihr Übriges zur sich anbahnenden Wiederbelebung. Die Ausbilder der damaligen Zeit können stolz auf ihre geleistete Arbeit sein, denn die Umstellung mußte aus eigener Kraft bewerkstelligt werden. Viele Orchester in der Umgebung konnten sich in dieser Zeit den Rat und die Unterstützung von Berufsmusikern sichern und auch leisten, in Egelsbach hatte man dieses Glück leider nicht. In der Folgezeit pflegte man mit den Musikerkollegen des TV Langen relativ enge Beziehungen zum Wohle beider Gruppen, gemeinsame Unternehmungen und Auftritte und natürlich gegenseitige Aushilfe bei "Personalengpässen" waren die positive Folge dieser Zusammenarbeit. Zum 90jährigen Jubiläum des Egelsbacher Sports 1964 traten beide Züge in einem gemeinsamen Konzert auf, dies war die erste Veranstaltung dieser Art, bei der die Bevölkerung feststellen konnte, daß nur durch die instrumentale Erweiterung die Darbietung konzertanter Musik ermöglicht wurde, der einfachen Spielmannsmusik war dieser Weg verschlossen. Zwei Jahre später zu seinem eigenen 90jährigen Gründungsfest wagten es die SGE-Musiker, zum ersten Mal auf sich allein gestellt ein Konzert zu veranstalten. Im Programm fand man neben traditionellen Märschen und Walzern auch Potpourris und aktuelle Schlager. Daß der eingeschlagene Weg wieder nach oben führte, bewies auch die positive Resonanz in der Bevölkerung. Noch immer prägten Elemente der überlieferten Spielmannsmusik aber auch ein Bläserblock das Erscheinungsbild der Musikabteilung. Dies sollte sich aber bald ändern. Zehn Jahre später, 1974 zum hundertjährigen Jubiläum des V ereinssports in Egelsbach wurde auch nach optisch deutlich, daß sich bei den Turnermusikern eine grundlegende Wandlung vollzogen hatte: die gefällige blau-graue Kombination auf weißem Hemd mit roter Krawatte war an die Stelle des traditionellen Weiß der Turnerspielleute getreten aus dem Spielmannszug war ein Musikzug entstanden. 



Traditionsspielmannszug

Traditionsspielmannszug beim Weinfest 2004

Nicht lange dauerte es, daß neben der Freude über die modernere zeitgemäßere Form der musikalischen Präsentation ein bißchen Wehmut aufkam, eine Art nostalgisches Gefühl darüber, daß das musikalische Genre der Spielmannsmusik nun für immer verschwunden war, doch das war nicht so ganz der Fall. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 100-jährigen Jubiläum der Turnermusik 1976 sollte als ein Programmbestandteil noch einmal die reine Spielmannsmusik dargeboten werden. Nach einem Aufruf an alle ehemaligen "Trummler" und "Piffer" wurde bei einem Treffen spontan die Gründung eines Traditionsspielmannszuges angeregt. Die Begeisterung für das frühere gemeinsame Steckenpferd war wieder geweckt, schon eine Woche später wurde mit der Probenarbeit begonnen, um die alten Kenntnisse wieder aufzufrischen. Der damalige Ehrenvorsitzende der SGE und Ehrenstabführer Fritz Schlapp ließ es sich natürlich nicht nehmen, mit den zwanzig Trommlern, Pfeifern und Schlagzeugern zu üben. Am Jubiläumsabend feierten sie einen überwältigenden Erfolg, die Freude darüber stand ihnen sichtlich ins Gesicht geschrieben. Die Leistung der Traditionsspielleute ist um so höher zu bewerten, als der weitaus größte Teil von ihnen über keinerlei Notenkenntnisse verfügte und die Stücke nur aus dem Gedächtnis heraus gespielt wurden. Ursprünglich war der Traditionsspielmannszug nur für ein einmaliges Auftreten zusammen gerufen worden, aber die Begeisterung der "Altgedienten" - der Senior der Gruppe war gerade mal 75 Jahre alt - machte dem einen dicken Strich durch die Rechnung. Über viele Jahre hinweg waren die Musiker in Weiß ein fester Programmpunkt bei den Veranstaltungen der Abteilung, sei es zum Beispiel beim alljährlichen Fest an der Waldhütte oder bei Konzerten, auch bei etlichen Freundschaftstreffen im Turngau Main-Rhein waren sie beim klingenden Spiel mit ihren Kameraden aus anderen Vereinen anzutreffen. Sie "waren" anzutreffen heißt es hier ganz richtig, denn leider fordert auch hier das Alter Tribut und die Spielmannsmusik wird in unserer Gemeinde nun endgültig der Vergangenheit angehören. 



Mannschaft des Jahres

Es scheint fast so etwas wie eine Gesetzmäßigkeit zu geben, daß nach großen Jubiläen oder anderen Höhepunkten wie zwangsläufig ein Ausscheiden etlicher Mitglieder aus dem aktiven Vereinsleben zu verzeichnen ist. Nicht anders erging es dem Musikzug. Nach einem Schrumpfungsprozeß, der nicht immer von Nachteilen begleitet sein muß, formierte er sich neu zu einem attraktiven Klangkörper. Intensiviert wurde der Besuch von Lehrgängen auf Landes- und Bundesebene, die Teilnahme des gesamten Zuges an den Landestreffen der Turnermusiker mit dem damit verbundenen Wertungsmusizieren hob zusätzlich die Leistungsbereitschaft und dadurch auch die Leistung der Musiker. Einen Höhepunkt fand diese Entwicklung im Zusammenhang mit dem Deutschen Turnfest 1983 in Frankfurt. Der dortige Leistungswettbewerb bestand aus zwei Prüfungen, einer Bewertung der Marschformation auf dem Opernplatz und der musikalischen Bewertung mit Pflicht- und Kürstück. Der musikalische Teil fand auf der Bühne der nicht lange vorher neu eröffneten "Alten Oper" statt, was natürlich ein besonderes Erlebnis für die Egelsbacher war. Der 1. Rang bei diesem Wertungsmusizieren wurde 1984 von der Sportgemeinschaft mit der Auszeichnung zur "Mannschaft des Jahres" gebührend gewürdigt. Im Folgejahr erreichte der Musikzug mit 38 aktiven Mitgliedern seinen personellen Höchststand. In den Jahren und Jahrzehnten danach folgte noch so manche Teilnahme an Deutschen Turnfesten, so 1987 in Berlin, 1994 in Hamburg und 1998 in München. Meist wurden Spielgemeinschaften, z.B. mit Braunshardt oder Wixhausen, gebildet, weil bei diesen aufwendigen Unternehmungen aus den einzelnen Vereinen keine spielfähige Gruppen mitfahren konnten, so wurden aber die Kameradschaft und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Musiker aufs Stärkste gefördert. 




Das Jugendblasorchester

Schon über viele Jahrzehnte sah man die Chance für Nachwuchs aus eigenen Reihen darin, eine eigenständige, dem Leistungsstand der Kinder und Jugendlichen gemäße Musikergruppe aufzubauen. Schon seit den 50er Jahren bis - mit Unterbrechungen - ins Jahr 1983 gab es den Schülerspielmannszug, mit dessen schleichender Auflösung die Nachwuchsarbeit zunächst zusammenbrach. Eine Instrumentenausbildung fand zwar auch weiterhin statt, aber die Durchhaltequote ist bei einem Einzelunterricht sehr gering, der Weg zum ersten musikalischen Erfolg ist einsam und die Motivation verabschiedet sich bei nicht wenigen Schülern. Mit einem modernen Konzept, das nach einer kurzen Phase des Kennenlernens der Technik des eigenen Instruments den Kindern schon sehr früh das großartige Erlebnis des Musizierens in einem kleinen Orchester ermöglicht, wurde die Nachwuchsarbeit neu strukturiert und auf ein zukunftweisendes Fundament gestellt. Ungefähr mit dem Zeitpunkt ihrer Einschulung können sich Kinder in der Blockflötengruppe mit den Anfängen des Musizierens vertraut machen, musikalische Grundbegriffe werden gelehrt und, vor Allem, das mehrstimmige Spiel in der Gruppe wird geschult. Mit genügend musikalischer Grunderfahrung, das dürfte nach etwa zwei Jahren Blockflötenunterricht der Falle sein, können sich die Kinder von erfahrenen Musikern und Lehrkräften im Umgang mit Blas- oder Schlaginstrumenten unterweisen lassen, anfangs hauptsächlich im Einzelunterricht. Zu diesem Zeitpunkt ist natürlich auch der Quereinstieg auch ohne Flötenausbildung möglich, musikalische Grundkenntnisse sind allerdings sehr förderlich. Schon während der zweiten Ausbildungsphase kommt es zu ersten "Orchestererfahrungen", wenn es der Leistungsstand zuläßt. Diesem Moment fiebern alle Musikschüler entgegen, bedeutet es doch zum Einen das Erleben von Musik in einer ganz anderen Dimension, in der Gemeinschaft, zum Anderen tritt das Jugendblasorchester auch öffentlich auf, wobei man den Anderen zeigen kann, daß man etwas gelernt hat. Das mehrstimmige Musizieren in der Gruppe ist ganz darauf ausgerichtet, den Übergang ins Blasorchester vorzubereiten und ihn so leicht wie möglich zu machen, über den Zeitpunkt dieses Übergangs entscheidet dann letztendlich nur noch der Leistungsstand. 


Vom Musikzug zum Blasorchester

Das Jahr 1987 bescherte dem Musikzug erstmals seit vielen, vielen Jahren einen Dirigentenwechsel, Uwe Herchenhahn wurde für viele überraschend an Stelle von Horst Kern in das Amt des musikalischen Leiters gewählt. Er schien für etliche der Garant für den Wechsel von der traditionellen hin zur moderneren Blasmusik zu sein, was auch immer darunter verstanden wird. Unter dem Begriff "moderne Blasmusik" kann ein ganz breites Spektrum verstanden werden, im Besonderen war hier wohl die konzertante Blasmusik gemeint im Gegensatz zur gern etwas abschätzig titulierten "Dicke-Backen-Musik". In diesem Zusammenhang wurde ernsthaft über eine Teilung des Musikzuges in zwei Gruppen mit unterschiedlicher musikalischer Richtung diskutiert, das Projekt kam aber bald aus den unterschiedlichsten Gründen zum Erliegen. Die Außenwirkung des Musikzuges beruht zum größten Teil auf öffentlichen Auftritten wie zum Beispiel Festumzügen, Frühschoppen, Ständchen, Platzkonzerten und ähnlichen Veranstaltungen, hier ist die traditionelle Blasmusik gefragt und mit ihr lassen sich auch, ganz ehrlich gesagt, die dringend benötigten Finanzmittel aufbessern. Konzertante Musik, der Name sagt es ja aus, hat ihren angestammten Platz in den Konzerten. So haben beide Stilrichtungen nebeneinander ihre Daseinsberechtigung; einer Trennung in zwei Gruppen stand die recht dünne Personaldecke entgegen und die völlige Ausrichtung auf die probenintensive konzertante Blasmusik hätte wohl einige der Hobbymusiker bald an ihre persönliche Leistungsgrenze gebracht. Wolfgang Schroth übernahm 1991 die Abteilungsleitung, mit ihm und Horst Kern am Dirigentenpult kehrte wieder Kontinuität und Ruhe in die Abteilung zurück. Beide fanden einen tragfähigen Mittelweg zwischen den beiden Richtungen, die jährlichen Konzerte wiesen jetzt eindeutig als Schwerpunkt die "moderne" Blasmusik auf. die erweiterte Zielsetzung bedingte auch einen instrumentalen Umbau, die Rhythmusgruppe verstärkte sich durch Konzertbecken und ein Paar Kesselpauken, das Holzregister mit einer Baßklarinette. Mit dem erweiterten Repertoire und dem neuen "Sound" folgten die Egelsbacher Musiker dem Beispiel vieler befreundeter Vereine, sie haben sich zum 120-jährigen Jubiläum 1996 gemäß ihrem Leistungsstand in "Blasorchester" umbenannt. Der historisch begründete Abteilungsname "Spielmanns- und Musikzug" bleibt weiter bestehen. Bestätigt wurde dies in der Folgezeit mit den bisher besten Beurteilungen bei Wertungsspielen, zum Beispiel beim Hessischen Turnfest in Wetzlar oder anlässlich des Landestreffens in Hergershausen mit der Note "1. Rang mit Belobigung". Ungefähr ein Jahrzehnt später schied Horst Kern aus der musikalischen Leitung des Blasorchesters sowie des Jugendblasorchesters aus. Letzteres dirigiert seitdem Anita Scheuermann, während für etwa zwei Jahre die Musiker des großen Orchesters Rainer Laumann von der TSG Wixhausen leitete. 2002 konnte mit Thomas Grimm ein neuer Dirigent für das Blasorchester der SG Egelsbach gewonnen werden. 



Stabführer und Dirigenten

Turnverein 1874 
bis 1914 Philipp Christ
1919 - 1922 Georg Kunz
1922 - 1931 Fritz Schlapp
1931 - 1933 Adam Hahn

Turngemeinde 1885 
bis 1914 Johannes Schroth
1919 - 1923 Johannes Schroth
1923 - 1925 Max Heese
1925 - 1936 Georg Werkmann

Sportgemeinschaft 
1948 - 1952 Fritz Schlapp
1952 - 1958 Martin Becker; zeitweise Martin Schäfer
1958 - 1987 Horst Kern
1987 - 1991 Uwe Herchenhahn
1991 - 2000 Horst Kern
2000 - 2002 Rainer Laumann
2002 - 2010 Thomas Grimm
2010 - 2011 Hubert Herchenhahn
seit 2011 Markus Petri