Wettkampfbericht Ironman Frankfurt (Juli 2011)

Vor dem Start

Die Nacht davor konnte ich wie erwartet kaum schlafen. Es war bestimmt ein Uhr, als die Müdigkeit endlich die Oberhand gewann. Drei Uhr klingelte der Wecker, vier Uhr der Reservewecker. Erst den zweiten hörten wir. Eine Stunde für ein reichliches Toast-süß-Frühstück, Zusammenpacken der vorbereiteten Sachen, Anziehen und kurzes Frischmachen im Bad, 5 Uhr fuhr mich mein Freund zum Start an den Langener Waldsee.

Dort angekommen suchte ich meinen Platz in der Wechselzone, befreite das Rad von der Plane, die es in der Nacht vor dem Regen geschützt hatte, und baute recht aufgeregt und etwas kopflos meinen Wechselplatz auf. Ich traf noch einige Bekannte, gesellte mich zu einer der langen Schlangen vor den Dixis, und einige Minuten vor dem Start ging ich im wärmenden Neo runter zum Wasser. Für ein Einschwimmen war es schon viel zu spät, aber ich wollte ja eh langsam starten. Ganz links hinten reihte ich mich in den riesigen Pulk der Athleten ein.

Es geht los!

Startschuss, wie vorher angekündigt, ohne Countdown! Jetzt ging es tatsächlich los! Fast ein dreiviertel Jahr Training für dieses einen Tag lagen hinter mir! Ich stürzte mich ins aufgewühlte Wasser und kraulte ganz vorsichtig los, umgeben von zahllosen Mitstreitern. Auf dem Weg bis zum ersten Wendepunkte ca. 900 Meter voraus wurde ich noch so viel überholt, wo kamen die alle her? Bösem Geprügel konnte ich aus dem Weg gehen, aber es ging es schon tüchtig zur Sache. Den See kannte ich von zahlreichen Swimnights, trotzdem war es etwas ganz Anderes!

Bald hatte es sich aber entzerrt, und ich schwamm meinen Stiefel, von Boje zu Boje. Schnell war ich nicht, ich wollte im Wasser ja nur durchkommen. Lustig waren immer wieder die Athleten, die mindestens 10 Züge ohne Aufschauen kraulten und dabei kreuz und quer davondrifteten. Schneller als ich waren sie trotzdem ;)

Als endlich die Marke für den Landgang in Sicht kam, fühlte ich mich noch frisch, nur hatte ich leichte Schmerzen im Gesicht vom Druck der Schwimmbrille. Kurz aus dem Wasser -- ganz vorsichtig wegen möglicher Krämpfe (so meine Swimnights-Erfahrung) -- alles lief glatt, und der 2. Teil des Schwimmens wartete auf mich. Zur Abwechslung und Entspannung schwamm ich ein längeres Stück Brust, gemeinerweise war ich damit schneller. Da trainiert man 100 km Kraulen und praktisch 0 km Brust, und trotzdem ist man kraulend langsamer unterwegs. Ich holte dadurch ein bischen auf, kraulte dann aber weiter. Die Beine brauchte ich noch für etwas Anderes als das Schwimmen!

1. Wechsel

Irgendwann hatte ich ohne größere Vorkommnisse auch die 2. Schwimmrunde bewältigt, und konnte mich von den verbliebenen Zuschauern das Ufer hochjubeln lassen. Ganz ruhig :-) Mein Freund rief mir die Schwimmzeit zu (1:44 h), was akzeptabel war angesichts meiner Leistungen im Training. Damit konnte ich gut leben. Es hatte zu regnen begonnen, und war noch immer kalt. Am Wechselplatz hörte ich den Sprecher rufen, dass noch ca. 25 Leute im Wasser seien … sehr motivierend! Neo aus, Socken, Knielinge, Radtrikot und Windweste für die Wärme angezogen, und den Rest an (Helm, Startnummernband, Handschuhe, Pulsuhr, Schuhe …), und ich konnte mich zum Radstart aufmachen. Ich spürte einen leichten Druck auf der Blase, dachte aber, dass ich das schon aushalten würde, oft genug war ich 5 Stunden und mehr auf dem Rad unterwegs gewesen, ohne einer Pinkelpause zu bedürfen. Das sollte sich als Fehler herausstellen …

 

Endlich auf’s Rad

Nach einem langen Wechsel (ca. 9 min) konnte ich endlich losradeln. Was für ein Dreckswetter! Es war kalt und regnete. Der in dieser Hinsicht immer wieder optimistische Radcomputer zeigte 15 Grad an, offiziell waren es wohl aber nur 11. Aber was soll’s, dachte ich, Wetter ist Wetter. Ich fuhr locker los, immer den Puls im Auge, um nicht zu schnell zu fahren. Allzu schnell war ich nicht, konnte aber praktisch von Anfang an Leute überholen. Trotzdem war das Rennen so weit hinten ziemlich einsam. Nach etwas Einrollen fing ich an, die ersten Schlucke zu trinken, nach 30 Minuten gab’s das erste Gel. An das 2. Gel in der Trikottasche kam ich blöderweise nicht ran, durch Windweste und Startnummernband war das zu schwer zu erreichen. Ab einer Stunde nach Radstart wollte ich stündlich einen Riegel futtern und ca. eine Flasche trinken, vorher noch nichts Festes zu mir nehmen.

Kurz danach wartete der erste Anstieg des Tages auf mich, den ich versuchte, locker hochzukurbeln, was auch halbwegs funktionierte. Schnell war ich nicht, aber schneller als 90% der Radler vor mir. Kurz danach war dann die erste Stunde vorbei und ich holte mir das erste Drittel eines Riegels aus der Tasche, nach und nach die anderen 2 Teile. Eigentlich mein Lieblingsriegel von Xenofit, doch er war arg trocken. Die erste Flasche war auch bald geleert, und ich füllte die Aeroflasche nach. An der nächsten Aid Station holte ich mir Nachschub, das Greifen der Riegel, Gels und Flaschen funktionierte hervorragend -- davor hatte ich immer etwas Angst gehabt. Und ab Frankfurt gab es viele viele Zuschauer. Wohl deutlich weniger als in den Vorjahren -- angesichts des Wetters verständlich -- aber immer noch sehr sehr viele!

Jetzt hieß es einfach fahren, fahren, fahren. Allerdings war das nicht leicht bei dem Wetter, Regen, nasse Straßen, böiger Wind … widerlich! Bergab konnte ich es nicht immer rollen lassen durch den Wind. Kurven bin ich lieber vorsichtig gefahren. Und Gegenwind ist immer doof. Nach 1,5 Stunden schaute ich zum ersten Mal auf das Durchschnittstempo, es lag bis hierher bei 28,9 km/h. Mist, eigentlich hatte ich mit 30 gerechnet :-(

Pinkelpause mit Faris und die Verfolgergruppe

Ca. 2 Stunden nach dem Radstart und bei zwei Dritteln der ersten Radrunde hatte ich so einen enormen Druck auf der Blase, dass ein Dixi-Stop nicht zu vermeiden war. Aushalten war keine Option mehr. Die Dixis der letzten Verpflegungsstation waren belegt, also hatte ich noch 20 km hinter mich gebracht, diesmal MUSSTE ich anhalten. Sehr blöd, dass es da noch mehr Athleten mir dem gleichen Bedürfnis gab. Ich musste bestimmt 5 Minuten warten, nutzte die Zeit jedoch für etwas Essen und Trinken. Genau, als endlich ein Dixi frei wurde, kam mit großem Motorrad-Pulk Faris Al-Sultan, der spätere Sieger vorbei. Tür zu, Druck lass nach :-)

Danach konnte ich endlich befreit weiterfahren. Einige Kilometer weiter wartete der Heartbreak Hill, und dort wurde man förmlich hochgejubelt. Wahnsinn! Ich konnte wie schon die ganze Zeit davor etliche Radler vor mir überholen, jetzt kam noch die Gruppe von Faris Verfolgern vorbei, 5 Profis dicht nacheinander. 10 Meter Abstand hatten die, wie ich später auch auf den Fernsehbildern sah, nie im Leben gehabt.

Die letzte Stunde auf dem Rad tut weh

Nach 3 Stunden (noch irgendwo vor Frankfurt) war der Schnitt leider keinen Deut besser geworden, obwohl ich etwas mehr Tempo zugelassen hatte. Die Verpflegungsstrategie ging halbwegs auf, das Wetter blieb schlecht. Gottseidank fror ich nicht. Im Laufe der 2. Runde konnte ich weiterhin ständig andere Radler überholen, auch einige Bekannte und Vereinskollegen. Die Anstiege waren schwerer als davor, aber nicht wesentlich. Und das Wetter hatte sich nach zwischenzeitlicher Beruhigung wieder verschlechtert. Die Strecke war deutlich einsamer geworden, aber einige tapfere Zuschauer harrten aus und feuerten uns an.

Im letzten Viertel der Radstrecke wollte ich eigentlich nochmal etwas Druck machen, aber die Kräfte schwanden deutlich. Außerdem machten sich Schmerzen breit. Das Sitzen wurde immer unangenehmer, Nacken und Schultern waren tüchtig verspannt, und -- damit hatte ich nicht gerechnet -- die Füße taten heftig weh. Im Training klickt man durch Ampeln etc. doch häufig aus und kann die Füße entspannen, im Rennen sind sie die vollen 180 km eingeklickt. Die letzte Stunde auf dem Rad war brutal, zumal auf dem 2. Rückweg nach Frankfurt der Wind von vorn deutlich zugenommen hatte. Bei der Ausfahrt aus dem Theatertunnel spürte ich im Wiegetritt auch starke Schmerzen in den Oberschenkeln. Auf diesen letzten Kilometern war der Kopf leer, ich wollte nicht mehr, und hatte nur noch das Gefühl einer üblen Schinderei. Auch hatte ich irgendwie Angst, dass meine Füße angesichts der aktuellen Schmerzen beim Absteigen den Dienst versagen würden.

183,8 Kilometer geschafft

Vor der letzten Kurve wurde ich noch einmal von Freunden angefeuert, und dann ließ ich mich in die Wechselzone rollen. 6:25 h … das war doch mindestens eine halbe Stunde langsamer als erhofft. Aber egal, ich konnte endlich runter vom Rad! Die Füße spielten mit, ich konnte meinen Beutel im Empang nehmen und ins Wechselzelt laufen.

Schuhe aus, Helm ab, Handschuhe aus. Die Windweste und die Knielinge zog ich aus, außerdem zog ich mir frische (warme, trockene!) Socken auf die nasskalten Füße. Das Radtrikot über dem Zweiteiler blieb an, ohne wäre es mir zu kalt geworden. Dann in die Laufschuhe und endlich auf die Laufstrecke, ca. 5 Minuten hatte ich gebraucht. Und wie durch ein kleines Wunder waren alle Schmerzen vergessen, Wahnsinn.

Ich fühlte mich ab den ersten Metern laufen locker und wieder frisch! Da hatte sich das viele Koppeln, v.a. nach langen Radeinheiten wohl bezahlt gemacht. Und wie man hier angefeuert wurde … unglaublich!! Jetzt hatte ich das Gefühl, dass ich es packen kann. Natürlich wusste ich noch nicht, wie es bei km 25 oder 35 sein wird, aber es ging mir wieder gut. An der ersten Verpflegungsstelle reichte ein Schluck Wasser, nach dem Einlaufen tankte ich dann jedes Mal Energie.

Mir fehlte hier noch die Erfahrung, aber ich hatte mir folgenden Ernährungsplan überlegt: An jeder Verpflegungsstelle trank ich abwechselnd Iso oder Cola, und alle 30 Minuten gab es ein Gel. Und für’s Trinken ging ich lieber ein paar Sekunden als mich zu verschlucken. Zwischendurch noch ab und an Salz, was bei dem Wetter wahrscheinlich aber nicht soo kritisch sein würde.

Jetzt musste ich nur noch die 42 km heimlaufen :-) Gepusht von so vielen Zuschauern und Freunden und Bekannten fühlte sich das Laufen wirklich großartig an! Und viele der Freunde sagten mir, dass ich locker aussähe! Bis km 25 fühlte es sich auch so an, das war wahrscheinlich der schönste Teil des ganzen Rennens! Zwischendurch gab es mal einen starken Regenschauer, unter dem die Zuschauer aber wahrscheinlich mehr litten, mir konnte das Wasser nichts mehr ausmachen.

Es wird ernst!

Etwa ab Kilometer 25 machte sich allmählich Müdigkeit bemerkbar, aber es lief weiterhin gut. Die Ernährung klappte ebenfalls wie geplant, und die vielen, vielen Zuschauer halfen einem! Als es das dritte Rundenbändchen gab, war ich mir sicher, dass ich es schaffen werde! Die letzte Runde war dann schwerer, erst ab ca. Kilometer 35 wurde es hart. Jetzt war das Laufen wirklich anstrengend und v.a. noch eine Frage des Willens, außerdem tat der rechte Fuß ganz schön weh, besonders auf den Abschnitten mit Kopfsteinpflaster. Und links hatte ich mir wohl eine Blase am kleinen Zeh gelaufen.

Das letzte -- vierte -- Rundenbändchen gab es wenige Kilometer vor dem Ziel, und hier kamen zum ersten Mal die Emotionen hoch. Ich war kurz vor dem Ziel meines ersten Ironman!! Jetzt kam es darauf an, sich die letzten, inzwischen wirklich bösen Kilometer ins Ziel zu beißen. Der Körper verlangte Gehpausen, der Kopf war stärker! Ich rechnete anhand der Pulsuhr und der Kilometer-Markierungen die verbliebene Strecke immer wieder aus … als ich bei 700 Metern war, stieg innerlich der Jubel auf. Kurz danach durfte ich ENDLICH auf den Zielkanal abbiegen, und wurde von den Zuschauern, die wirklich jeden lautstark anfeuerten, auf den Römerberg hochgetragen.

12 Stunden und 54 Minuten, GESCHAFFT! Wahnsinn. Freudentränen. Ich war völlig am Ende, die DRK-Sanitäter boten mir auch gleich eine Liege an. 4:30 h war ich gelaufen. Aber nach einer Minute Sitzen ging es wieder. Mit Medaille und Kälteschutzfolie ging ich langsam in den Athlete’s Garden … 10 Minuten später setzte der nächste Regenschauer ein.

Ein riesengroßes Dankeschön

Man kann so einen Wettkampf nicht allein bestreiten, es gab so viel Hilfe! Das fing vor Monaten an und endete hinter dem Ziel. Die Ich-trau-dir-das-Zu-Freunde, Jessi und die Stadt Langen, durch die als Waldseehai starten konnte, mein Arbeitgeber, der mich wirklich großzügig unterstützt hat, die Tausenden von tollen Helfern rund um den Wettkampf, die zahllosen Zuschauer, die jeden angefeuert haben, Trainer, Vereinskameraden, Freunde und Bekannte, Kollegen an der Strecke und die, die am Fernseher und Computer mitgefiebert haben -- DANKE!!!